Um sich auf ein bevorstehendes Experteninterview gut vorzubereiten und sicherzustellen, dass Sie möglichst viele und passende Erkenntnisse aus dem Interview gewinnen, sollten Sie zuerst einen Interviewleitfaden erstellen. Hierbei stellen sich einige Grundsatzfragen:
• Unstrukturiertes, halbstrukturiertes oder strukturiertes Interview?
• Offene oder geschlossene Fragen?
• Narratives oder problemzentriertes Interview?
In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie einen Interviewleitfaden erstellen, wie der Aufbau eines Interviewleitfadens aussieht und welche praktischen Tipps Ihnen bei der Erstellung helfen
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In diesem Artikel lernen Sie:
Warum überhaupt einen Interviewleitfaden erstellen?
Definition
Ein Interviewleitfaden ist ein Textdokument, das die Struktur und die Fragen eines Interviews vorgibt. Es dient als Orientierungshilfe für den Interviewer und hilft, den Fokus des Gesprächs auf die wesentlichen Themen zu richten. Ein Leitfaden ist insbesondere in der qualitativen Forschung von Bedeutung, da er die Vergleichbarkeit von Interviews sicherstellt und eine gezielte Datenerhebung ermöglicht.
Vorteile eines Interviewleitfadens
Egal, ob Sie Interviews im Rahmen einer Bachelorarbeit, Studie oder Mitarbeiterbefragung durchführen: Ein gut ausgearbeiteter Interviewleitfaden ist notwendig, um Interviews zu strukturieren und so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Ein Interviewleitfaden hat mehrere Vorteile:
- Struktur: Er hilft, das Gespräch klar zu organisieren und sicherzustellen, dass alle relevanten Themen behandelt werden.
- Effizienz: Mit einem Leitfaden lässt sich die begrenzte Zeit eines Interviews optimal nutzen.
- Vergleichbarkeit: Besonders bei mehreren Interviews erleichtert ein Leitfaden die Analyse, da ähnliche Fragen gestellt werden.
- Flexibilität: Trotz der Struktur bleibt Raum für spontane und unerwartete Fragen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur effektiven Interviewleitfaden-Erstellung
1. Interviewform wählen
Ein Interviewleitfaden unterscheidet sich je nach Form des Interviews. Klären Sie deshalb zuerst, um welche Art von Interview es sich handeln soll. Die gängigsten Varianten sind:
a) Strukturierter Interviewleitfaden
Ein strukturierter Interviewleitfaden enthält klar definierte Fragen, die in einer festen Reihenfolge gestellt werden. Diese Art von Leitfaden eignet sich besonders, wenn eine hohe Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Interviews erforderlich ist. Die feste Reihenfolge minimiert Variablen und ermöglicht eine präzise Analyse der Antworten. Ein strukturierter Leitfaden wird häufig in quantitativen Studien oder standardisierten Erhebungen eingesetzt, bei denen die Konsistenz der Daten im Vordergrund steht.
b) Halbstrukturierter Interviewleitfaden
Ein halbstrukturierter Interviewleitfaden bietet eine grobe Struktur, die durch Hauptthemen und Schlüsselfragen definiert ist, lässt aber Raum für spontane Fragen. Dadurch kann der Interviewer flexibler auf die Antworten des Teilnehmers eingehen und tiefergehende Informationen sammeln. Ein halbstrukturierter Leitfaden ist ideal, wenn qualitative Daten mit einer gewissen Vergleichbarkeit benötigt werden, ohne die Tiefe der Gespräche zu opfern. Er eignet sich beispielsweise für explorative Studien oder Interviews, bei denen die persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer im Vordergrund stehen.
c) Unstrukturierter Interviewleitfaden
Ein unstrukturierter Interviewleitfaden dient lediglich als grobe Orientierungshilfe und bietet maximalen Spielraum für offene Gespräche. Diese Form wird häufig für explorative Ansätze verwendet, bei denen die Dynamik des Gesprächs selbst im Vordergrund steht. Ein unstrukturierter Leitfaden erlaubt es, unvorhergesehene Themen und Perspektiven zu entdecken, kann jedoch auch zu einer größeren Herausforderung bei der späteren Analyse führen, da die Vergleichbarkeit begrenzt ist.
d) Narratives Interview
Ein narrativer Interviewleitfaden zielt darauf ab, eine ausführliche, zusammenhängende und oft biografische Erzählung des Teilnehmenden zu erhalten. Der Interviewer greift hierbei kaum ein, sondern schafft durch offene Einstiegsfragen einen Raum für freie und umfassende Schilderungen. Diese Methode eignet sich besonders, um subjektive Erlebnisse, Erinnerungen oder persönliche Perspektiven zu erfassen. Der Leitfaden enthält oft nur wenige Impulse oder Nachfragen, der Teilnehmer bestimmt den Gesprächsverlauf.
e) Problemzentriertes Interview
Ein problemzentrierter Interviewleitfaden konzentriert sich auf ein spezifisches Problem oder eine Fragestellung und verbindet offene Fragen mit gezielten Nachfragen. Diese Methode wird häufig in der angewandten Forschung eingesetzt, um praxisnahe Lösungen oder detaillierte Einblicke zu einem klar umrissenen Thema zu gewinnen. Der Leitfaden stellt sicher, dass das Gespräch sowohl explorativ als auch zielgerichtet bleibt. Durch die Kombination aus Flexibilität und thematischer Fokussierung lassen sich sowohl breite als auch tiefgehende Erkenntnisse gewinnen.
2. Ziele und Themenbereiche identifizieren
Zieldefinition
Bevor Sie mit der Erstellung beginnen, sollten Sie sich über die Ziele des Interviews im Klaren sein. Fragen Sie sich:
- Welche Informationen möchte ich sammeln?
- Wie tragen diese Informationen zu meinem übergeordneten Ziel bei?
Beispiel: In der qualitativen Forschung könnte das Ziel sein, die Meinungen und Erfahrungen von Teilnehmern zu einem spezifischen Thema zu verstehen.
Themenbereiche identifizieren
Basierend auf Ihren Zielen identifizieren Sie die Hauptthemen und Unterthemen, die im Interview behandelt werden sollen. Diese können beispielsweise sein:
- Hintergrundinformationen des Interviewten
- Relevante Erfahrungen
- Meinungen zu spezifischen Aspekten
- Zukunftsperspektiven
3. Offene oder geschlossene Fragen formulieren
Die Formulierung der Fragen ist ein zentraler Schritt. Berücksichtigen Sie dabei Folgendes:
- Offene Fragen: Diese ermöglichen es den Teilnehmern, ausführlich zu antworten und ihre Perspektiven detailliert zu schildern. Beispiel: „Wie haben Sie diese Erfahrung wahrgenommen?“ Solche Fragen fördern tiefere Einblicke und schaffen Raum für neue, unvorhergesehene Erkenntnisse.
- Geschlossene Fragen: Mit diesen können Sie spezifische Informationen erhalten, indem Sie den Antwortbereich eingrenzen. Beispiel: „Nutzen Sie digitale Technologien täglich? (Ja/Nein)“. Diese Art von Fragen eignet sich besonders, wenn konkrete Fakten oder schnelle Antworten benötigt werden.
- Schlüsselfragen: Markieren Sie besonders wichtige Fragen, die ungeachtet des Interviewverlaufs unbedingt beantwortet werden sollen, als sogenannte Schlüsselfragen.
- Keine Suggestivfragen: Suggestivfragen beeinflussen die Antwort und können die Neutralität eines Interviews gefährden. Beispiel: Statt „Fanden Sie das nicht auch problematisch?“ wäre es besser, zu fragen: „Wie haben Sie diese Situation erlebt?“ Auf diese Weise bleibt die Antwort offen und authentisch.
- Logische Reihenfolge: Strukturieren Sie die Fragen so, dass ein natürlicher Fluss entsteht. Beginnen Sie mit allgemeinen, leicht zu beantwortenden Fragen und arbeiten Sie sich zu spezifischen Themen vor. Dies erleichtert den Einstieg ins Gespräch und schafft eine angenehme Atmosphäre für den Interviewten.
4. Aufbau des Interviewleitfadens erstellen
- Einleitung
- Vorstellung des Interviewpartners und des Projekts
- Hinweis auf Datenschutz und Einverständniserklärung, ggf. Anonymität
- Erste allgemeingehaltene inhaltliche Einstiegsfrage
- Hauptteil
- Offene oder geschlossene Fragen aus Schritt 3 strukturieren und einfügen
- Schlüsselfragen markieren, die ungeachtet des Interviewverlaufs unbedingt beantwortet werden sollen
- Platz für Rückfragen und Zwischenfragen lassen
- Abschluss
- Bisher gestellte Fragen und Antworten kurz zusammenfassen
- Dem Teilnehmer für das Gespräch danken
- Fragen, ob der Teilnehmer ein Thema vertiefen oder noch etwas loswerden möchte
- Nach der Aufnahme über den weiteren Verlauf und die Ergebnisse informieren
Interviewleitfaden Vorlage (Word-Download)
Mit unserer Interviewleitfaden-Vorlage sparen Sie Zeit bei der Erstellung und gewährleisten eine klare Struktur. Die Vorlage bietet eine Übersicht, die Sie individuell an Ihre Anforderungen anpassen können. Unterhalb finden Sie eine PDF-Version zum Durchlesen und einen Download-Button für die Word-Datei, um direkt loszulegen.
Tipps für die Anwendung während des Interviews
Auch der beste Leitfaden bringt wenig, wenn er nicht richtig angewendet wird. Beachten Sie folgende Tipps:
Nonverbale Signale beachten: Achten Sie aufmerksam auf die Körpersprache, den Gesichtsausdruck und den Tonfall des Interviewten. Diese nonverbalen Signale können zusätzliche Hinweise auf Emotionen oder Einstellungen geben und das Verständnis des Gesagten vertiefen.
Flexibilität bewahren: Lassen Sie Raum für spontane Fragen oder Anpassungen, wenn der Gesprächsverlauf interessante Themen aufwirft. Diese Flexibilität kann dazu beitragen, wertvolle Einblicke zu gewinnen, die in einem starren Rahmen möglicherweise verloren gehen.
Aktives Zuhören: Hören Sie nicht nur zu, sondern zeigen Sie dem Interviewten durch Nicken oder kurze Bestätigungen, dass Sie seine Aussagen wertschätzen. Gezieltes Nachfragen zeigt Interesse und motiviert den Teilnehmer, ausführlicher zu antworten.
Notizen machen: Schreiben Sie wichtige Punkte oder Zitate während des Gesprächs mit, um später gezielt darauf eingehen zu können. Notizen sind auch hilfreich, um Schlüsselaspekte nicht zu vergessen, die für die Analyse relevant sein könnten.
Häufige Fehler bei der Erstellung eines Interviewleitfadens
Um das volle Potenzial Ihres Leitfadens auszuschöpfen, sollten Sie diese Fehler vermeiden:
Mangelnde Vorbereitung
Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Interview. Vertrautheit mit dem Interviewleitfaden und den zugrundeliegenden Themen hilft, das Gespräch gezielt zu steuern und Unsicherheiten zu vermeiden. Durch ausreichende Vorbereitung können Sie gezielt auf spontane Entwicklungen im Gespräch eingehen und dennoch den roten Faden beibehalten.
Zu starres Festhalten am Leitfaden
Ein Interviewleitfaden sollte als Orientierungshilfe dienen, nicht als starr vorgegebener Ablaufplan. Wenn Sie zu strikt am Leitfaden festhalten, könnten Sie wertvolle spontane Einblicke der Interviewten verpassen. Eine flexible Handhabung ermöglicht es Ihnen, auf unerwartete und interessante Aspekte einzugehen, die im Gespräch entstehen.
Unklare oder suggestive Fragen
Unklare oder mehrdeutige Fragen können den Gesprächsfluss behindern und zu Verwirrung beim Interviewten führen. Vermeiden Sie suggestive Formulierungen, da diese die Antworten beeinflussen könnten. Stattdessen sollten die Fragen klar, präzise und neutral formuliert sein, um authentische und ehrliche Antworten zu erhalten.
Transkription und Auswertung des Interviews
Transkription des Interviews
Die Transkription ist ein zentraler Schritt, um die Inhalte des Interviews festzuhalten und für die Analyse zugänglich zu machen. Dabei wird das Gespräch nach bestimmten Transkriptionsregeln verschriftlicht. Wichtig ist, konsistente Regeln sowie eine klare und einheitliche Formatierung zu verwenden, um Lesbarkeit zu gewährleisten und die anschließende Auswertung so einfach wie möglich zu gestalten.
Wenn Sie das Interview selbst transkribieren möchten, empfehlen wir Ihnen unseren ausführlichen Leitfaden für die Interview-Transkription sowie unsere Beispiel-Transkripte zur Orientierung. Für Unerfahrene ist die selbstständige Transkription allerdings mühsam und zeitaufwendig (Beispiel: Die Transkription eines 30-minütigen Interviews nimmt mindestens 2,5 Stunden Arbeit in Anspruch).
Alternativ bietet sich theoretisch auch ein KI-erstelltes Transkript an, doch hierbei gibt es zahlreiche Probleme in Bezug auf Datenschutz und Transkript-Qualität. Fachbegriffe, Akzente und Aufnahmen mit eingeschränkter Audioqualität werden oftmals nicht akkurat transkribiert, was im schlimmsten Fall zu Falschaussagen im Transkript führen kann.
Wenn Sie Zeit und Nerven sparen möchten, können Sie einen professionellen Transkriptionsservice wie scryvo.com nutzen, der Ihnen die gesamte Arbeit der Transkription abnimmt und trotzdem ein 100% fehlerfreies Transkript gewährleistet. Insbesondere für Master- & Bachelorarbeiten und Studien bietet sich die Beauftragung eines Transkriptionsservices an, da nur so eine fehlerlose Transkription nach spezifischen Transkriptionsregeln garantiert werden kann.
Auswertung des Interviews
Nach der Transkription folgt die inhaltliche Auswertung, bei der die Kernaussagen und Muster im Text identifiziert werden. Qualitative Methoden wie die thematische Analyse eignen sich besonders gut, um tiefergehende Erkenntnisse zu gewinnen. Es empfiehlt sich, Kategorien oder Codes zu erstellen, um die Daten zu strukturieren. Eine sorgfältige und reflektierte Auswertung hilft dabei, valide Schlussfolgerungen aus den Interviews zu ziehen.
Fazit
Ein Interviewleitfaden ist ein unverzichtbares Werkzeug, um strukturierte, effiziente und aussagekräftige Interviews durchzuführen. Mit klar definierten Zielen, gut formulierten Fragen und einer flexiblen Anwendung können Sie sicherstellen, dass Ihre Interviews sowohl für die Datenerhebung als auch für die anschließende Analyse wertvoll sind.
Nutzen Sie die scryvo-Interviewleitfaden-Vorlage und bedenken Sie unsere Tipps, um Fehler zu vermeiden und den größtmöglichen Mehrwert aus jedem Interview herauszuholen. Beauftragen Sie nach der Interviewaufnahme einen Transkriptionsservice wie scryvo, der Ihnen Zeit und Nerven beim Transkribieren spart und die anschließende Auswertung des Interviews vereinfacht.
Haben Sie noch Fragen oder möchten mehr erfahren? Schauen Sie auf unserer Webseite vorbei oder kontaktieren Sie uns direkt.